(Nachtrag: Eine eindrucksvolle Zusammenfassung der Veranstaltung mit vielen Videos der Reden findet sich hier.)
Aufgrund der hohen Nachfrage musste die traditionelle Zukunftsveranstaltung von der THG-Aula in die Hagener Stadthalle verlegt werden. Thema war in diesem Jahr „Zukunftsgestaltung in schwierigen Zeiten“. Wie diese Veranstaltung aus Schüler-Sicht angekommen ist, beschreibt der folgende Bericht der THG-Schülerin M. Matthies aus der Q1:
Einige Schüler und Schülerinnen sowie aktuelle und auch viele ehemalige Lehrkräfte des Theodor-Heuss-Gymnasiums waren am Mittwoch, den 13. Februar, bei der von Klaudius Gansczyk – einem jetzt in den Ruhestand tretenden Philosophie- und Physiklehrer des THGs – organisierten „Zukunftsveranstaltung“ unter anderem zum Thema Klimawandel in der Stadthalle. Dabei waren mehrere hochkarätige Professoren für Vorträge zu diesem Thema eingeladen.
Nach einem Grußwort des Oberbürgermeisters an die etwa 400 Zuhörer sowie einem weiteren Gruß des Ehrenpräsidenten des Club of Rome, Ernst Ulrich von Weizsäcker, dem Sohn von Carl Friedrich von Weizsäcker, hielt Paula Thurn, eine Schülerin der Q2 des THGs und Mitglied der von Herrn Gansczyk gegründeten „Erdball-Fans“, eine kurze Rede. Eindrücklich rief sie mit Bezug zu den „Fridays for Future“-Aktionen zu einer Veränderung in den Schulen und in der Bildungspolitik auf: Die Fächer müssten mehr miteinander vernetzt sein, Themen wie Klimawandel weniger separat in den einzelnen Fächern als fächerübergreifend als Ganzes angesprochen und behandelt werden.
Darauf folgend stellte Herr Ganszcyk, der die Moderation übernommen hatte, die Reihe dieser Zukunftsveranstaltungen am THG noch einmal kurz vor: Dieses Jahr fand eine solche Veranstaltung schon zum zwanzigsten Mal statt, diesmal unter dem Oberthema „Zukunftsgestaltung in schwierigen Zeiten: Energie – Klimaschutz – Nachhaltige Entwicklung“. Gäste waren dieses Mal die allesamt schon mehrfach bei einer dieser Veranstaltungen als Redner aufgetretenen Wissenschaftler Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ehrenpräsident des Club of Rome, Prof. Dr. Franz Josef Radermacher, unter anderem Vorstand des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung in Ulm und ebenfalls Mitglied des Club of Rome, sowie Prof. Dr. Hartmut Graßl, der Vorsitzende der Vereinigung deutscher Wissenschaftler und ehemaliger Direktor der World Climate Research Programme. Außerdem gab es Beiträge von Wulf Bödeker, dem Berichterstatter für Bildung für Nachhaltige Entwicklung der Kultusministerkonferenz der Länder, und Hannes Siege, dem Mitherausgeber des Orientierungsrahmens Globale Entwicklung, einem Leitfaden für die Vermittlung dieses Themas beispielsweise in der Schule.
Einleitend zu den verschiedenen Vorträgen der Gäste hielt auch Herr Gansczyk in der Rolle der Moderation noch eine Rede, in der er unter anderem reflektierte, wie der Klimawandel über die Zeit hinweg wahrgenommen wurde. Er erzählte, dass er nach einer früheren Veranstaltung 2007 Hartmut Graßl zum Zug brachte und gerade optimistisch gestimmt war, was den Kampf gegen den Klimawandel anging, da diese Thematik zu diesem Zeitpunkt extrem durch die Medien ging. Doch mit der darauf bezogenen Aussage „Ach, das wird nichts. Dafür tut es noch nicht weh genug“ sollte, wie Klaudius Gansczyk sagte, Hartmut Graßl recht behalten.
Ähnliche Thesen klangen auch in den drei Vorträgen durch: Unter dem Titel „Unterwegs in eine enkeltaugliche neue Aufklärung“ sprach Ernst Ulrich von Weizsäcker eindringlich über den Umgang mit dem Klimawandel und die Verantwortung der Menschen dabei. Die Unterscheidung zwischen einer „leeren“ Welt – der ursprünglichen Welt, wie sie es in der Steinzeit war – und der „vollen“ Welt – unserer heutigen Welt – nutzte er dabei als Erklärungsmodell für das Verhalten der Menschen in vielen Situationen: „Aus der leeren Welt kommen unsere Instinkte. Die Hälfte davon ist für die volle Welt tauglich, die andere nicht.“ Er führte durch eine Statistik den Zuhörern anschaulich vor Augen, wie unendlich groß der Einfluss des Menschen auf alles auf diesem Planeten ist. Vom Gesamtgewicht der Wirbeltiere auf dieser Erde entfallen 30% auf die Menschen selbst, 67% auf Schlacht- und Haustiere des Menschen und nur 3% tatsächlich auf Wildtiere, auf „Giraffen und Eichhörnchen“. Das nenne man dann Anthropozän, wo der Mensch Giraffen und Eichhörnchen keine Chance lasse. Deshalb rief Weizsäcker dazu auf, „die Frechheit zu haben, eine neue Ökonomie zu entwickeln“. Dabei verwies er auch auf den aktuellen Bericht des Club of Rom mit dem Titel „Wir sind dran“.
Daran anknüpfend hielt Franz Josef Radermacher seinen Vortrag über eine „Welt mit Zukunft“, aufbauend auf seinem Buch „Der Milliardenjoker“. Ihm ging es vor allem darum, dass es durch nur 500 Milliarden klug investierte Euro weltweit möglich sei, den Klimawandel soweit wie aktuell noch möglich aufzuhalten. Wie er aber auch wusste, ist es ein extrem schwieriges Unterfangen, in der Politik tatsächlich auch zu Taten zu gelangen. Zur Klimakonferenz von Paris 2015 sagte Radermacher „Wir können leicht unterschreiben, was wir wollen, aber es ist unendlich schwierig, das auch zu tun“. Dabei stellte er aber heraus, dass es keine Sache der Unmöglichkeit sei, diese 500 Milliarden Euro aufzubringen: Weltweit würden 1700 Milliarden für Militär ausgegeben, aber nur 150 Milliarden für Entwicklungshilfe. Schon 150 Euro im Jahr von jedem Deutschen, investiert in Nicht-Industrie-Länder zum Beispiel in Afrika in Projekte für erneuerbare Energien, Aufforstung oder die Renaturierung der Böden, würden dafür sorgen, dass Deutschland insgesamt klimaneutral wäre. Dabei sei es wichtig, Investitionen nicht ausschließlich in Deutschland selbst vorzunehmen, da hier viel zu wenig Menschen lebten, als dass die deutschen Emissionen vor allem in Zukunft das Weltklima bedeutend beeinflussen könnten. Deshalb müsse es Investitionen vor allem in Regionen mit großem Bevölkerungswachstum geben, beispielsweise in Afrika, und nicht nur mitten in Europa. Mit der Aussage „Es geht nicht um das Ende der Welt, sondern um Qualität, Frieden und Wohlstand“ warnte er aber auch mehrmals vor Dramatisierung. Trotzdem: „Die Welt ist viel zu schön, um hässlich zu werden.“
Der dritte Redner, Hartmut Graßl, rückte nochmal das Thema „Klima- und Sicherheitspolitik“ in den Fokus. In vielen Punkten schloss er an seine Vorredner an, beispielsweise in der nicht eben positive Einschätzung des Pariser Klimaabkommens. Die Politiker hätten dort seiner Meinung nach gesessen und gedacht „Wenn ich jetzt nicke, habe ich keine wesentlichen Schleifspuren mehr in der Wirtschaft in meinem Land und kann wiedergewählt werden.“ Diese Haltung identifizierte Graßl wie auch schon Radermacher als eines der Probleme beim globalen Klimaschutz. Genauso eindringlich führte Graßl aber auch Auswirkungen vor Augen, die zum einen der der Klimawandel – eine Dürre in Syrien führte beispielsweise zu einem Ernteausfall, infolgedessen zahlreiche Menschen vom Land in die Städte flüchteten, was als ein Faktor gesehen wird, der zum Ausbruch des Bürgerkriegs dort führte – aber auch Krieg, genauer ein Atomkrieg, auf die gesamte Weltbevölkerung haben könnte. Wenn nur Indien und Pakistan ihre Nuklearwaffen gegeneinander einsetzen würden, käme es Experten zufolge schon zu einer weltweiten Hungerkrise – was bei einem Konflikt mit Beteiligung der USA und ihrer Nuklearwaffen zum Beispiel passieren würde, möchte man sich gar nicht ausmalen.
Nach diesen drei Reden kamen noch Wulf Bödeker und Hannes Siege zu Wort. Wulf Bödeker betonte in seinem Vortrag, dass Kindern und Jugendlichen, die „ihre Welt vor sich haben“, durch die Schule und Bildung die Möglichkeit gegeben werden sollte, diese zu gestalten. Kompetenzen könnten Schüler nur selbst entwickeln, die Schule müsse dabei aber bestmögliche Unterstützung leisten. Dafür sei das Konzept Bildung für Nachhaltige Entwicklung besonders wichtig. Dieses Konzept erläuterte Hannes Siege als Mitherausgeber des „Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung“ der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung noch einmal. Für jedes Schulfach solle festgelegt werden, was genau es für BNE tun kann. Man müsse konkret fragen: „Was kann Mathe oder Französisch dazu beitragen, künftig klimabedingte Überschwemmungen zu vermeiden?“
Nach diesen drei mit sehr viel Input gefüllten Stunden wurde aufgrund des strapazierten Zeitrahmens der ursprünglich geplante letzte Teil der Veranstaltung, die Podiumsdiskussion mit Beteiligung junger Erdball-Fans, weggelassen und möglicher Diskussionsbedarf auf den Empfang nach der Veranstaltung verlegt.
Trotzdem gingen wohl alle Zuhörer mit extrem vielen Ideen und Denkanstößen aus den Vorträgen nach Hause. Auch weitere im Unterricht dafür aufgebrachte Zeit wurde für die Schülerinnen und Schüler noch zur Reflexion und Diskussion genutzt, aber genauso werden auch alle anderen vierhundert Zuhörer die Beiträge am nächsten Tag nicht einfach vergessen, sondern noch weiter darüber nachgedacht haben.
Die folgenden Fotos zeigen einige weitere Impressionen von der Veranstaltung (Alle Fotos von C. Fürst – THG):
Ein Gedanke zu „„Wie geht es dir, Erdball?“ – 20. Zukunftsveranstaltung in der Stadthalle“
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