Warum „große“ Paten für die Kleinen der Jahrgangsstufe 5?
Der Übergang vom „Schonraum“ der Grundschule in den Schulalltag des Gymnasiums bzw. einer weiterführenden Schule kann bei den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 5 Ängste oder auch Orientierungslosigkeit hervorrufen. Die Schülerinnen und Schüler sehen sich mit einer neuen und ungewohnten Umgebung und Situation konfrontiert, die zahlreiche Herausforderungen in sich bergen. Ein neues Gebäude, neue Lehrerinnen und Lehrer, die neue und bekannte Fächer anders unterrichten, viele neue Mitschülerinnen und Mitschüler und am THG der gebundene Ganztag, der drei lange Nachmittage bis 15 Uhr verpflichtend für alle bedeutet. Zusammengenommen mit den mittlerweile oft höchst belastenden außerschulischen Aktivitäten der Kinder ergibt sich so ein erhebliches Maß an Verunsicherungspotential, das es möglichst gut aufzufangen gilt. Ein Instrument der Erleichterung des Übergangs von der Grundschule ans THG sind die schon seit vielen Jahren eingerichteten Klassenpatenschaften.
Ziel der Betreuung einer Patenklasse durch eine ausgebildete Patengruppe bestehend aus Oberstufenschülern und -schülerinnen ist es, Entwicklungen und Einstellungen, die Ängste auslösen und ein Konfliktpotential in sich tragen, vorzubeugen und entgegenzuwirken. Dabei helfen die älteren Schülerinnen und Schüler den Jüngeren, sich im System Schule zurechtzufinden. Sie sorgen gemeinsam mit dem Klassenleiterteam und den Fachlehrerinnen und -lehrern für einen „sanften“ Einstieg und ein gutes, lernorientiertes Klima. Sie organisieren zudem Veranstaltungen für die Jahrgangsstufe 5 und 6, die ein Kennenlernen der Schülerinnen und Schüler ermöglichen, das nicht nur im Schulalltag erfolgt.
Von einer Patenschaft profitieren dabei sowohl die jüngeren als auch die älteren Schülerinnen und Schüler, denn durch die Patenschaften wird jahrgangsübergreifendes soziales Lernen gemeinsam gestaltet und erlebt. Die Patinnen und Paten fungieren auf verschiedenen Ebenen als Integrationshelfer, Streitschlichter oder auch Berater bei Problemen in der Schule. Dies führt letztlich zu einer positiven Beeinflussung des Schulklimas.
Die Patenarbeit
Die Aufgaben, die die Klassenpaten am THG übernehmen, sind vielfältig. So gestalten die i. d. R. aus drei bis fünf Personen bestehenden Gruppen beispielsweise zu Beginn des Schuljahrs innerhalb der Klassenleitertage ihrer neuen 5er-Klasse eine Paten- bzw. Schulrallye, bei der die „Neu-THGler“ spielerisch ihre neue Schule besser kennen lernen und anschließend wissen, in welchem Raum der Schulleiter zu finden ist, oder wo man seinen Schülerausweis abholen kann.
Das wichtigste Element sind jedoch die Patennachmittage, die zumeist in der Woche nachmittags, seltener am Wochenende, stattfinden. Im Vorfeld geplant, organisieren die Patinnen und Paten ein möglichst spannendes Gemeinschaftserlebnis, bei dem es um Spiel, Spaß und/oder Sport geht und das ohne die Anwesenheit von Lehrern oder Eltern auskommt, auch wenn diese bei Bedarf durchaus mit eingeladen werden.
Die Klassengemeinschaft wird auf diesem Wege gestärkt und die Schülerinnen und Schüler lernen ihre Patinnen und Paten im Laufe der Zeit immer besser kennen. Dieses sich so aufbauende Vertrauensverhältnis ist ein weiterer wichtiger Baustein der Klassenpatenschaften. Die Patinnen und Paten haben als Jugendliche und Mitschüler einen gänzlich anderen Zugang zu den Kindern, als dies bei Lehrern und Eltern bzw. generell bei Erwachsenen der Fall ist. Fragen und Probleme können hier in einem anderen, oft als unkomplizierter empfundenen Verhältnis formuliert und gehandhabt werden. Dabei können nicht nur zwischenmenschliche, sondern genauso gut auch schulische Probleme zur Sprache gebracht werden, sodass auch hier die Patinnen und Paten wieder in ihrer „Brückenfunktion“ für das Schulleben wirken, wenn sie beispielsweise einen Schüler oder eine Schülerin auf bestehende Fördermaßnahmen am THG hinweisen, mit denen sie vielleicht selbst bereits gute Erfahrungen gemacht haben.
Darüber hinaus können die Patinnen und Paten ihre Klassen auch bei Wandertagen oder Klassenfahrten begleiten. Hier gestalten sie selbstständig Programmpunkte mit, übernehmen weitere organisatorische Aufgaben und stehen stets als Ansprechpartner für die Kinder bereit. Sie bieten durch ihre Arbeit eine wichtige Unterstützung, damit die Eingewöhnung am THG möglichst reibungslos und positiv für die neuen Fünftklässler verläuft.
Die Patinnen und Paten erwerben im Verlauf der Ausbildung und der Arbeit mit ihrer Patenklasse zahlreiche Kompetenzen. So sind stets vielfältige Absprachen mit unterschiedlichen Personenkreisen und innerhalb der Patengruppe selbst notwendig, Rahmenbedingungen müssen ausgelotet, Informationen eingeholt und diskutiert, Vorschläge formuliert und Kompromisse akzeptiert werden und nicht zuletzt wird die Arbeit von verschiedenen Seiten (Eltern/Lehrern/Mitschülern) begutachtet. Einfühlungsvermögen, das Bewusstsein über die eigene Vorbildfunktion, Pflichtbewusstsein und Kritikfähigkeit werden dabei ebenso auf die Probe gestellt, wie die Fähigkeit, die eigene Arbeit zu präsentieren und zu vertreten (z. B. gegenüber Eltern) oder kreativ bei der Gestaltung der Nachmittage zu sein.
Dieser Überblick zeigt, welchen hohen Anspruch die Patentätigkeit an jeden einzelnen Jugendlichen stellt und dokumentiert gleichzeitig, auf welchen Ebenen das „Pate-Sein“ die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit hin zu einer persönlichen Entfaltung in sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung fördert und das THG somit ein Stück weit mehr als den im Leitbild der Schule formulierten Lebensraum gestaltet. Die Patenarbeit ist somit ein existenzieller Bestandteil unseres Wertekonzepts.
Praktische Ziele und Nutzen des Patensystems:
für die jüngeren Schülerinnen und Schüler:
- Erleichterung des Starts in das Schulleben auf dem THG für die Schulanfänger
- Unterstützung der Integration in die neue Schule mithilfe eines Helfersystems durch Paten
- Unterstützung und Ausbildung eines guten und lernorientierten Klimas in der Klasse
- Unterstützung der schulischen Sozialisation der Schulanfänger
- Förderung der Empathiefähigkeit, der Kommunikations- und Kooperationskompetenz
für die Paten-Schülerinnen und –Schüler:
- Vermittlung einer Fülle von Basiskompetenzen, die im normalen Kernunterricht oft nicht genug vermittelt werden können
- Sensibilisierung für die Probleme und Ängste von Schulanfängern
- Förderung der Empathiefähigkeit und der Konfliktfähigkeit
- Schulung der Team-, Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit
- Ausbildung von Organisations- und Planungsfähigkeit
- Engagement für ein partnerschaftliches Schulklima auch über das Patenschaftsprojekt hinaus
- Bewusstmachung der Vorbildfunktion durch Übernahme von Verantwortung
- Initiative für andere ergreifen lernen
- Förderung, Anerkennung und Attestierung des freiwilligen Engagements (durch Vermerk im Zeugnis)
- Trainieren von Zuverlässigkeit
- Steigerung des Selbstwertgefühls
Die Patenausbildung erfolgt am THG in drei Schritten: 1. Anmelde- und Bewerbungsverfahren, 2. Patenausbildungsseminar und 3. Betreuung der Patenarbeit in den laufenden Schuljahren.
- Vorbereitung der Patenausbildung: Anmelde-, Bewerbungs- und Auswahlverfahren
In jedem Jahr wird zu Beginn des 2. Schulhalbjahres mithilfe aktueller und ehemaliger Paten in den 9. Klassen über die Patenausbildung am THG informiert. Dabei werden das Anmelde- und Auswahlverfahren erläutert und Schwerpunkte der dreitägigen Ausbildung verdeutlicht. In einem vorgegebenen Zeitraum können sich interessierte Schülerinnen und Schüler dann für die Ausbildung zum Paten bewerben, indem sie einen Patensteckbrief ausfüllen, der sich mit ihren (charakterlichen) Stärken und Schwächen, ihren individuellen Vorstellungen von der Patenarbeit und ihrer Persönlichkeit befasst. Je nach Anzahl der Meldungen wird dann eine Vorauswahl getroffen und ggf. Plätze zugelost. Im Anschluss daran wird eine erste organisatorische Sitzung einberufen. Hier werden die Anforderungen, die auf die Schülerinnen und Schüler als Patinnen und Paten zukommen, transparent gemacht und die endgültige Teilnehmerliste verbindlich festgelegt.
Bei der Auswahl der angehenden Patinnen und Paten achtet das Ausbilderteam insbesondere auch auf die schulischen Leistungen, das individuelle Engagement und das jeweilige Auftreten des Schülers oder der Schülerin im Klassenverband.
Zur Vorbereitung auf das Patenausbildungsseminar erarbeiten die angehenden Patinnen und Paten Spiele unterschiedlicher Kategorien (Kennenlern-, Bewegungs-/Vertrauens-/Koordinations- und Kooperations-/Kommunikations-/Rätselspiele) in von ihnen selbst gewählten Gruppen. Dabei sollen sie den Prozess der Gruppenarbeit (Organisation, Strukturierung) dokumentieren, um so in einem während der Ausbildung folgenden Reflexionsverfahren ihre Arbeit einschätzen zu können.
- Patenausbildungsseminar
Die Patenausbildung wird als 3-3,5tägige Kompaktveranstaltung in der Jugendherberge am Glörsee in Breckerfeld durchgeführt. Die Ausbildung beinhaltet sowohl theoretische als auch praktische Teile. Hier werden die zukünftigen Patinnen und Paten von den für die Patenarbeit verantwortlichen Lehrkräften des THGs (Siebald, Schreiber, Marscheider) in den nachfolgenden Bausteinen geschult:
- „Wie die 5er so sind“ – Eigene Erfahrungen und Konsequenzen für die Patenarbeit; Integration von Inklusionsschülern und Seiteneinsteigern
- „Die ideale Patin / der ideale Pate“ – Welche Eigenschaften sollte man als guter Pate/ gute Patin mitbringen?
- „Patenregeln“ – Bedingungen, unter denen Patenarbeit gelingen kann
- „Spielesammlung“ – Wie kann ein Patennachmittag gestaltet werden? (Planung, Erarbeitung und Durchführung verschiedener Spiele, die im Klassenraum durchgeführt werden können)
- „Was tun, wenn´s schmerzt?“ – Erste Hilfe: Was kann ich selbst regeln? Wann muss ich Hilfe einschalten?
- „Was tun, wenn´s kracht?“ – Umgang mit Streitigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen Schülerinnen und Schülern der Patenklasse – Erwerb eines Grundverständnisses für Aspekte der Streitschlichtung
- „Kleine Spiele“ – Welche Aktivitäten bieten sich für draußen an? (Planung, Erarbeitung und Durchführung von Spielen, die körperliche Aktivität beinhalten)
- Formale und rechtliche Aspekte – Was dürfen Patinnen und Paten? Was dürfen sie nicht? (Einverständniserklärungen der Eltern, Aufsichtspflicht, Planung von Aktivitäten außerhalb der Schule, etc.)
- Patenarbeit organisieren – Strukturierung, Organisation, Planung und Durchführung von Aktivitäten mit der Patenklasse: Was gilt es zu berücksichtigen?
- Planung eines Patennachmittags – Erstellung eines konkreten Beispiels & Präsentation
- Planung und Simulation der Vorstellung vor den Eltern mit Feedback
- Planung und Erprobung der Schulrallye für die sozialen Tage, die während der ersten drei Schultage stattfinden
- Treffen mit aktuellen Paten – Erfahrungsberichte und Fragerunde
- Einteilung der endgültigen Gruppen & Erstellung der Vorstellungsplakate für die Klassen
- Abschlussreflexion und Anregungen
- Betreuung der Patenarbeit in den laufenden Schuljahren
Die betreuenden Lehrer stehen den Patinnen und Paten zu jeder Zeit für Fragen und bei Problemen zur Verfügung. Darüber hinaus werden vereinzelt Treffen der Gesamtpatengruppe (z. B. bei einem betreuenden Lehrer) organisiert.
Es wäre wünschenswert, eine gemeinsame „Patensprechstunde“, die einmal im Monat stattfindet, zu initiieren, um den Patinnen und Paten auch nach dem Patenausbildungsseminar die Möglichkeit zu geben, Erfahrungen mit allen Patengruppen auszutauschen, Schwierigkeiten gemeinsam zu besprechen und Lösungen zu finden oder um gemeinsame Veranstaltungen aller Patenklassen (z. B. Unterstufenpartys) gewinnbringend und zielführend zu planen.