Fridays for Future. Das ist mittlerweile jedem ein Begriff. Angeführt von der Initiatorin Greta Thunberg gehen Schüler und Studenten auf der ganzen Welt auf die Straße, um sich für den Klimaschutz einzusetzen. Mit ihren Protesten für eine bessere Zukunft haben die jungen Leute große Bekanntheit erlangt. Nun geht durch die Gesellschaft endlich ein Ruck. Es muss dringend etwas gegen den Klimawandel getan werden.
Weniger bekannt sind dagegen die Erdballfans. Sie beschäftigen sich schon seit vielen Jahren mit relevanten globalen Themen – nicht nur mit dem Klimawandel, sondern auch mit Frieden und Sicherheit, globaler Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.
Auch bei den Erdballfans handelt es sich um eine Gruppe engagierter Schüler und Studenten. Seinen Ursprung hatte das Ganze am Theodor-Heuss-Gymnasium in Hagen (THG). Vor allem im Philosophie-Unterricht wurden neben den Themen aus dem Lehrplan auch große politische und gesellschaftliche Fragen unserer Zeit diskutiert. Insbesondere dem Lehrer Klaudius Gansczyk – überzeugter Fan unseres Heimatplaneten – gelang es, seine Begeisterung dafür auch an die Schülerinnen und Schüler zu übertragen.
Besonders am THG ist in diesem Zusammenhang, dass es die erste Kooperationsschule der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) ist. Neben dem THG gibt es mit dem Gymnasium Hohenlimburg inzwischen nur eine weitere Kooperations-Schule in ganz Deutschland. Dank dieser einzigartigen Verbindung konnten in den letzten Jahren immer wieder hochkarätige Vertreter aus Wissenschaft und Politik gewonnen werden, die in der Aula des THG bei einer Vielzahl von den jungen Zuhörern einen bleibenden Eindruck hinterließen. Umgekehrt nehmen aktuelle und ehemalige Schülerinnen und Schüler des THG regelmäßig an VDW-Veranstaltungen teil, um dadurch ihren Wissenshorizont zu erweitern.
So kam auch ich als THG-Schülerin zu den Erdballfans. In den vergangenen vier Jahren durfte ich an einigen solcher Veranstaltungen teilnehmen. Nicht nur in unserer Aula, sondern auch in Göttingen oder Berlin. Auf diesen Veranstaltungen konnte ich eine Menge wichtiger Erkenntnisse mitnehmen. Von manchen dieser Erkenntnisse, die mich persönlich besonders beeindruckt haben, werde ich nun berichten.
Quasi direkt vor der Tür waren zum Beispiel die Zukunftsveranstaltungen in der Aula. Fasziniert folgten wir den Vorträgen von Prof. Ernst-Ulrich von Weizsäcker im Jahr 2015 und Prof. Hartmut Graßl zwei Jahre später. Besonders in Erinnerung ist mir der Vortrag von Herrn Graßl geblieben. Der renommierte Klimaforscher sprach zum Thema: „Wissenschaft und Schulwelt tragen Verantwortung für eine enkeltaugliche Zukunft.“ Herr Graßl verdeutlichte, dass es schon einige Erfolge – beispielsweise die Nachhaltigkeitsziele der UN (SDG’s) – gegeben habe, diese jedoch durch die geringe Präsenz in den Medien kaum Bekanntheit erlangt hätten. Außerdem kritisierte er, dass nachhaltige Entwicklung in den Schulen zu wenig gelehrt werde. „Man braucht mehr Gansczyks!“, waren seine Worte. Der Wissenschaftler appellierte, dass ein stärkeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei der Bevölkerung nötig sei. Die Bevölkerung müsse mitmachen, erst dann kämen die Politiker. Der Vortrag von 2017 war also ganz im Sinne der heutigen „Fridays for Future“-Bewegung.
Eine Art Höhepunkt für die Erdballfans ist die jedes Jahr im Herbst stattfindende VDW-Nachhaltigkeitskonferenz an der Uni Göttingen. Fuhren vor einigen Jahren nur einige wenige Schüler für ein Wochenende in die Universitätsstadt, sind es doch mittlerweile weit über 20 Schüler und Studenten, die mit großer Vorfreude dort zusammenkommen. Die Veranstaltung in Göttingen widmet sich jedes Jahr einem – meist hochaktuellem – Thema, welches von den Wissenschaftlern aus den verschiedensten Perspektiven beleuchtet wird. Die Konferenzreihe findet seit 2012 statt und seit 2016 nehme auch ich an den jährlichen Veranstaltungen teil.
Bei meiner ersten Teilnahme lautete das Thema: „Quo vadis Europa? Ein Friedensprojekt am Scheideweg.“ 2016 stimmten die Briten über den Brexit ab und Donald Trump wurde zum US-Präsidenten gewählt. Das Thema der Konferenz war also aktueller denn je. Die dort behandelten Fragen wie „Was bedeuten die US-Wahlen für Europa?“ und „Wie geht man mit der Anti-EU-Stimmung in einigen europäischen Ländern um?“ stellte sich zu diesem Zeitpunkt so gut wie jeder – nicht nur in Göttingen. Diese Themen wurden aus der Sicht von Wirtschaft, Klima und Sicherheit intensiv diskutiert. So verdeutlichte Prof. Jürgen Scheffran – Spezialist für Klima und Sicherheit – beispielsweise, dass die Krisen und Konflikte, sowie der Klimawandel, seit 1989 alle vernetzt seien und stütze diese Aussagen mit einer eindrucksvollen Grafik. Prof. Götz Neuneck – der Experte in der Sicherheitspolitik – stellte dar, dass in einer globalisierten Welt eine Unterscheidung zwischen innerem und äußerem Frieden nicht mehr sinnvoll sei. Zum Schluss der Veranstaltung wurde festgehalten, dass die Zukunft Europas von der Zukunft der EU abhänge.
Im Folgejahr stand im Mittelpunkt der Göttinger Nachhaltigkeitskonferenz „Die Verantwortung der Wissenschaft zur Aufklärung der Gesellschaft“ mit dem Titel „In Publica Commoda“( = im Interesse der Öffentlichkeit). Zu den Zeiten von Fake News war auch dieses mal wieder ein zeitgemäßes Thema gewählt worden. Die Vortragenden verlangten, dass Nachhaltigkeit zum Handlungsprinzip werden müsse und Wissenschaftler sich der Verantwortung verpflichten müssten. Es sei Vertrauen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft nötig und die Aufgabe der Politik, die Erwartungen beider aufrecht zu erhalten.
Ein besonderes Ereignis ist dieses jährliche Event jedoch nicht nur wegen der informativen und umfassenden Vorträge und Workshops während der Veranstaltung selbst. Mindestens genauso spannend sind die intensiven Diskussionen mit den Vortragenden und unter den Erdballfans in den Pausen und am Abend. So haben wir im vergangenen Jahr die freie Zeit genutzt, um konzeptionell an dem aktuellen Projekt der Erdballfans zu arbeiten. Im Rahmen des Projekts von Herrn Prof. Radermacher und dem Bundesministerium BMZ werden die Entwicklungsländer dabei unterstützt, CO2 vermindernde und kompensierende Projekte umzusetzen. Die Finanzierung erfolgt durch freiwillige Spenden von Privatpersonen und Unternehmen, die unter anderem auch von den Erdballfans als Klimabotschafter angeworben werden.
Die Vorstellung dieses Projekts war auch ein Thema der Jubiläums-Zukunftsveranstaltung im Februar 2019 in der Hagener Stadthalle, an welcher auch der Hagener Oberbürgermeister teilnahm. Zu diesem Jubiläum sind mit Herrn Weizsäcker, Herrn Graßl und Herrn Radermacher gleich drei renommierte Wissenschaftler angereist. In ihren eindrucksvollen Vorträgen appellierten sie an die junge Generation, sich für die Zukunftsfähigkeit unseres Planeten einzusetzen.
Neben den jährlichen Nachhaltigkeitskonferenzen in Göttingen findet jedes Jahr auch eine VDW Jahrestagung statt, an welcher ich 2018 in Berlin teilnehmen durfte. Für mich persönlich war dies eine der anspruchsvollsten und zugleich gewinnbringendsten Veranstaltungen. Das Thema im vergangenen Jahr lautete: Sicherheit statt Militarisierung in Europa. So wurde die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Russland und dem Westen seit Ende des Kalten Krieges analysiert. Nach einer vielversprechenden Annäherungsphase hat sich das Verhältnis beider Mächte und die Sicherheit in Europa in den letzten Jahren wieder deutlich verschlechtert. Die Kenntnis dieser Entwicklung war zwingende Voraussetzung, um die aktuelle Sicherheitslage in Europa zu verstehen und mögliche Lösungsansätze zu erarbeiten. Nur das Verstehen solch komplexer Zusammenhänge ermöglicht es, scheinbar belanglose Tagesnachrichten wie den Austritt der USA aus dem INF-Vertrag mit all seinen Auswirkungen auf unser Leben einzuordnen.
Meine bisher letzte VDW-Veranstaltung war im Sommer 2019 zu Ehren des 80. Geburtstags von Prof. Weizsäcker in Berlin, welche in einem noblen Kongresszentrum direkt am Brandenburger Tor stattfand. Unter den Teilnehmern waren viele prominente Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Aus dem Fernsehen bekannt sind beispielsweise Bundesumweltministerin Svenja Schulze, der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler sowie der Fernsehmoderator Dr. Eckart von Hirschhausen. Aber auch die Familienunternehmer Alfred Ritter (Rittersport-Schokolade) und Dr. Michael Otto (Otto-Versand) nahmen an der Veranstaltung teil. All diese Persönlichkeiten würdigten das Lebenswerk von Herrn Weizsäcker auf eine sehr persönliche und eindrucksvolle Art.
Aber fühlt sich ein Schüler auf solchen Veranstaltungen nicht fehl am Platz? Meine Erfahrung ist das genaue Gegenteil. Viele der meist älteren Teilnehmer zeichnen sich durch eine lebenslange Neugier aus. Diese wird auch deutlich in vielen Gesprächen mit uns jungen Leuten, in denen sie etwas über unsere Sicht auf die Welt erfahren wollen. Nicht selten sind sie beeindruckt über das komplexe Verständnis, das sich viele Erdballfans inzwischen erarbeitet haben. Hat man doch in den ersten Veranstaltungen nur einen kleinen Teil verstanden, so kann man sein Gesamtverständnis von der Welt doch Stück für Stück erweitern.
Das Schönste an den Veranstaltungen mit den Erdballfans ist aber das Zusammensein mit sehr besonderen jungen Menschen, die alle die gemeinsame Vision einer enkeltauglichen Welt teilen. Oder kurz:
Erdballfans for Future.
Bericht von Paula Thurn (THG-Hagen, Abi 2019)